Buell Motorräder in der Gebrauchtberatung (2024)

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[Text: Arnd Dickel, von 2000-2010 u.a. Buell Brand Manager DACH]

Bei wertstabilen Motorrädern fällt einem sofort Harley-Davidson ein. Aber wenn man nun eher auf Nakedbikes, Streetfighter oder Sportler steht? Dann kann man zum Beispiel eine Buell in Betracht ziehen. Schon 1983 fing Erik Buell an, eher außergewöhnliche, sportliche Motorräder zu bauen. Buells waren nie Mainstream, sondern immer anders. Different in every sense, wie einer der ersten Werbeslogans lautete.

Originalteile sind bei einer gebrauchten Buell entscheidend

Doch wer jetzt eine Buell kaufen will, worauf muss er achten und wovon sollte man besser die Finger lassen?

Zunächst einmal sollte man wissen, dass die BAMC (Buell American Motorcycle Company) 2009-2010 von Harley-Davidson liquidiert wurde. Erik Buell hat danach noch zweimal unter EBR Motorräder entwickelt und produziert, die jedoch auf dem europäischen Markt nicht wirklich erhältlich waren. Gut 10 Jahre später stellt sich die Ersatzteilsituation nun zunehmend schwieriger dar. Das sollten Kaufinteressenten bedenken. Man sollte daher darauf achten, möglichst viele der Originalteile beim Gebrauchtbike mitzubekommen. Warum? Weil wie bei Harley auch bei Buell nahezu jedes Bike vom Besitzer im Laufe der Zeit umgebaut wurde leider nicht immer zum Besseren. Insgesamt wurde 136.923 Buells bis Ende 2009 hergestellt. Davon fanden rund 15.000 den Weg über den großen Teich nach DACH, also in den deutschsprachigen Raum.

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Wie bei jedem Motorrad: Servicehistorie beachten

Hieraus ergibt sich schon die erste Empfehlung: Von aufwendig getunten, stark modifizierten Buells egal welcher Modellreihe sollten unerfahrene Schrauber ganz klar die Finger lassen. Achten sollte man auch darauf, ob ein anderer Auspuff montiert ist. Ein Zubehörauspuff an einer Buell sollte immer mit einer angepassten Kalibrierung der Einspritzung kombiniert sein, sonst können später kapitale Motorschäden folgen. Aus all diesen Einschränkungen folgt: Grundsätzlich sind möglichst originalbelassene Modelle mit wenig Kilometern auf dem Tacho heftig um gebauten Custombikes vorzuziehen. Vor allem auch eine entsprechend nachvollziehbare Wartungshistorie vom Buell bzw. H-D Fachmann schafft Vertrauen, Rechnungen und Belege sollte man sich zeigen und bei Kauf mitgeben lassen.

Buell XB müssen speziell am Rahmen inspiziert werden

Wem auffällt, dass an dem angebotenen Motorrad am Kabelbaum bzw. der Elektrik rumgebastelt wurde, der sollte ebenfalls die Finger davon lassen. Für Buell-Kenner oder solche, die es eben dann zukünftig werden wollen (und müssen) lohnen sich nähere Blicke auf kritische Punkte wie etwa die vordere Motorhalterung, die mal brechen kann, oder den Zahnriemen, der ohne die ab Werk verbauten Schutzelemente deutlich schneller reißen kann. Den Riemen einmal bei angehobenem Hinterrad von innen sowie an den Flanken auf Steine, Risse und ausfransende Teile kontrollieren. Wer sich eine XB kaufen will (also ein Modell, bei dem der Rahmen zugleich der Tank ist: Tankrahmenmodell), der muss den fetten Rahmen auf Schäden genau kontrollieren. Meistens wechseln die Besitzer den Rahmen nach Unfall oder Sturz nicht, sondern kleben Carbon- oder Gummiabdeckungen über die Schäden. Auch Kratzer an der Schwinge können einen Hinweis auf einen Sturz sein. Bei Diskussionen oder Unsicherheit gilt - Finger weg auch hier. Wenn das Bike noch keine entsprechenden Sturzpads hat (waren zum Teil später Serie), der sollte diese nachrüsten, ebenso wie entsprechende Elemente in den Achsen, die im Falle eines Falles vor größeren, teuren Schäden schützen.

Eine gebrauchte Buell muss den Kaltstart souverän meistern

Natürlich ist wie immer beim Auto- oder Motorradkauf eine ausgiebige Probefahrt unverzichtbar. Wer kann, sollte einen aktuellen Buell- oder Harley-Besitzer mitnehmen. Wenn die Buell schlecht startet, muss das nicht unbedingt am Motor liegen. Eine passende, hochwertige Batterie und die richtigen Zündkerzen, möglichst die Originalen vom freundlichen Harley-Händler, beeinflussen das Startverhalten gravierend. Unbedingt darauf bestehen, dass man die Buell kalt startet. Denn der Motorlauf sollte sich dann nach zwei bis drei Minuten anpassen und sich bei einen möglichst runden Lauf um rund 1000 U/ min einpendeln. Wer deutliche mechanische Geräusche hört, lässt ebenfalls besser die Finger weg.

Reparaturanleitungen sind beim Gebrauchtkauf ein gutes Anzeichen

Bei einer Probefahrt sollte der Motor nach einer Warmlaufphase gleichmäßig hochdrehen und Drehmoment aufbauen. Wenn die Kupplung beim Anfahren oder Beschleunigen durchrutscht, kann das verschiedene Gründe haben. Ein Kupplungstausch ist zwar nicht außergewöhnlich teuer, aber dennoch aufwendig. Auch ein falsches Öl kann bei den Rohrrahmen- und den XB-Modellen zu Kupplungsrutschen führen. Mit einem mineralischen 20W50 Markenmotoröl macht man nichts falsch, die weiteren Öle sind in den Bedienungsanleitungen klar definiert und sollten auch genau so in den Viskositäten eingesetzt werden. Ach ja, Bedienungsanleitungen und ggf. auch Reparaturanleitungen sind durchaus Anzeichen dafür, dass der Besitzer sich intensiv mit seiner Buell auseinandergesetzt hat und hoffentlich erst gelesen und dann gemacht hat.

Hilfe bei Buell-Spezialisten oder Harley-Händlern

Kommen wir noch mal zurück auf den Auspuff. Ein Zubehörauspuff, der nicht oder nur unzureichend auf den Luftfilter und die Einspritzung abgestimmt ist, macht sich unter Last durch Fehlzündungen und eine unausgewogene Beschleunigung bemerkbar. Die Abstimmung durch den Spezialisten und eventuell nötige Bauteile wie ECM sind unabdingbar, aufwendig und kostspielig. Gerade bei Problemen mit Motor und Elektrik empfiehlt sich auf jeden Fall der Gang zu einem Buell Spezialisten. Dies sind zumeist aktuelle H-D Händler, die noch das entsprechende Equipment vorhalten. Eine Websuche in den Foren und Suchmaschinen nennt hier die regional kompetenten Ansprechpartner recht schnell. In ganz Europa gibt es noch einige wenige echte Buell-only Spezialisten, hier wird man gut beraten.

Tipps für Online-Bestellungen von Buell Teilen

Im Netz gibt es einige Foren, die sich sehr ausführlich mit Buell Motorrädern der jeweiligen Baureichen auseinandersetzen. Auch wenn dies gute Quellen sind, sollte man die dortigen Einträge hinterfragen, sonst verliert man schnell den Spaß an seinem einzigartigen V2. Im World-Wide-Web findet man in der Regel auch Original- und Aftermarket-Ersatz- und Verschleißteile. Bei der Bestellung muss man aber genau auf das Modelljahr (nicht immer gleich dem Baujahr) und das Modell achten. Gerade für den Motor, der bei den XB Modellen auf dem klassischen Harley-Sportster V2 ab 2003, bei den Rohrrahmen auf dem Vorgängermodell basiert, gibt es reichlich passende Teile im H-D-Bereich. Im Zweifel auf jeden Fall immer den freundlichen Vertragshändler fragen, der ist in der Regel gut gerüstet, kann es noch beschaffen oder kennt Alternativen.

Beim örtlichen Harley-Händler kann man gleich die Recall-Historie im System prüfen lassen. Denn die ist in der Regel, gerade bei den älteren Modellen der Rohrrahmen, lang. Wichtige Rückrufe sollten gemacht sein, wer nett fragt, kann den ehemaligen Buell Vertragshändler vielleicht noch dazu bewegen, einen Rückruf nachzuholen, der laut System noch aussteht.

Gebrauchte Buell Empfehlungen von Arnd Dickel

Wer nun trotz all der aufgeführten Hinweise immer noch eine Buell kaufen und fahren möchte, dem empfiehlt der Fachmann (der Autor war 10 Jahre Buell Brand Manager) folgende Modelle:

Rohrrahmenbaureihe (S1, S3, X1, M2):

  • X1 Lightning aus MY 2000 oder 2001, möglichst im Originalzustand
  • sollte der Motor Ölnebel zeigen, kommt man um einen aufwendigen Tausch der Dichtungen nicht herum. Das kann jeder H-D Spezialist und die Teile sind in der Regel baugleich mit den Sporsterteilen der gleichen Baujahre.
  • selten sind X1 White Lightning oder X1 Millennium
  • die letzten M2 sind preislich günstiger zu haben bei nahezu gleichem Fahrspaß

XB-Baureihe (XB9R, XB12R, XB9S, XB9SX, XB9Scg, XB12S, XB12Scg, XB12STT, XB12Ss, XB12X, XB12SX):

  • Lightning oder Firebolt MY 2008 oder später, erkennbar am veränderten Motor bzw. Zündungsdeckel
  • Größere Fahrer sollten eine Ss oder X in Betracht ziehen.
  • Modelljahr 2008 war gekennzeichnet als 25th Anniversary mit entsprechenden Emblemen etwa an der Gabelbrücke.
  • Klare Kaufempfehlung mit stabilem Wert, ebenso die wenigen letzten XBs des 2010er Modelljahres, Highlight XB12SX aus 2010.
  • für entspanntere Fahrer ist eine XB9 in der Regel die günstigere Wahl, die auch noch viel Spaß bereit bei einem deutlichen Preisvorteil

1125er Rotax-Baureihe (1125R, 1125CR):

  • 1125CR ebenfalls aus dem letzten Baujahr 2009, also Modelljahr 2010
  • Auch hier auf die Originalteile achten, die zumindest dabei sein sollten.

Inzwischen gilt: Wer jetzt eine gut erhaltene X1, M2 oder XB mit EU-Herkunft besitzt, dem bleibt bei guter Pflege und sorgsamem Umgang Warmfahren, Inspektionen, Originalteile zumindest behalten, auch wenn man umbaut der Werterhalt nahezu garantiert. Von US-Modellen (erkennbar an der VIN, die dann mit 4 beginnt), ist eher abzuraten, wenn nicht der Pflefegzustand und die Kilometer für ein besonders gut erhaltenes Modell sprechen.

Kritische Punkte, die es an dieser Baureihe zu prüfen bzw. zu beachten gilt:

  • Radlager
  • Rahmen auf Sturzschäden, insbesondere unter angebrachten Abdeckungen prüfen
  • Befestigungsschrauben Krümmer an Zylinder, aufwendige Reparatur
  • Buells reagieren sensibel auf geänderten Auspuff und offenen Luftfilter
  • Befestigung des Auspuffs kritisch inspizieren
  • Motor reagiert auf falsch bemessene Zündkerzen sensibel (Originalteile vom H-D Händler)
  • Riemen auf Zustand prüfen
  • ZTL-Bremsscheibe vorne darf nicht zu viel Spiel haben

Preis einer gebrauchten Buell

Aktuelle Preise und Angebote gebrauchter Buell Motorräder findest du am 1000PS Gebrauchtmarkt. Hier Arnd Dickels Einschätzung:

Das Preisniveau bei guten, originalen Rohrrahmen (S1, X1, M2 und die eher seltenen S2/S3) ist hoch, zwischen 5.000 und 6.000 Euro für ein Modell um Baujahr 2000. Gute XB-Modelle ziehen gerade an. Es gibt sie ab 3.000 Euro, gute Exemplare mit wenig Kilometer kosten mindestens 6.000 bis hin zu 8.000 Euro. Günstiger im Vergleich werden XB12X Ulysses Modelle gehandelt, der Adventure Tourer ist eine Empfehlung für größere Menschen. 1125er Modelle sind im Vergleich zu Alter und Laufleistung meistens etwas günstiger zu haben, ein 2009er Modell kostet zwischen 4.000 und 6.000 Euro. Wichtig ist noch zu wissen ist, dass der Modelljahreswechsel bei Buell immer im Sommer stattfand. Auskunft über das genaue Modelljahr gibt nur die Fahrgestellnummer, also die VIN. VINs für europäische Modelle beginnen mit der 5, US Modelle mit der 4, die folgenden Buchstaben geben das spezifische Modell an, die zehnte Stelle in der VIN gibt das Modelljahr an, das nicht immer deckungsgleich mit dem Baujahr ist. Ein entsprechend originaler Servicepass sowie alle technischen Unterlagen wie Handbuch und Werkzeuge machen ein solches Angebot attraktiv.

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Bericht vom 26.04.2020 | 73.299 Aufrufe

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Author: Corie Satterfield

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